Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

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nauesten verdeutlicht es vielleicht einer seiner friihesten Knabentraume, der von Zeit zu Zeit wiederkehrte. Ihm traumte dann, er lage neben einer aufgerissenen Gruft, in die ihn ein dicht vor ihm hoch aufgerich- teter Grabstein bei der geringsten Bewegung hinab- zusturzen drohte. Der eigentliche Angstschauer da- bei aber war, daB der steile Stein bereits seinen Namen eingegraben trug, so daB er nun fur ihn selber ge- nommen wiirde, wenn er in der Gruft fur immer unter ihm verschwande. Als Albdruck und in fieber- haftem Halbwachen qualte ihn dieses Bild, das er auch brieflich einmal erwahnt (1903, aus Paris, am letzten Juni): „Fern in meiner Kindheit, in den groBen Fiebern ihrer Krankheiten, standen groBe, unbeschreibliche • • • • Angste auf, Angste wie vor etwas zu GroBem, zu Hartem, zu Nahem, tiefe unsagliche Angste, deren ich mich erinnere-“ Die Art und Weise, wie er von Korperzustanden sprach, von Befremdungen und Beklemmungen durch sie, mahnte in irgend etwas an diesen Traum; es mahnte an eine gewalttatige Forderung, zwei unverein- bare Lagen in eine zusammenzuziehen, das Aufge- richtete und das Versenkte zu sein, unter der gleichen Namengebung; zurVernichtung ins erstickend Weiche der Erde gebettet, und sie, steinern iiberragend, als Wahrzeichen des Unvernichtbaren, des Gedenkmals.