Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

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richteten. Hierdurch, daB er ihnen den Tag am Kreuz zum osterlichen Tag emporhebt, gilt dieser Tag auch ihm; sie sagen gleichsam ihm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein “ Derselbe Umstand aber nahert ihn den Menschen iiberhaupt an einer Stelle, macht ihn ihnen zum Nach- sten an einer Stelle, wo wir in unser aller Urgrund niedersteigen und der Hochststehende nicht minder seinen Boden hat als der am miihseligsten Empor- klimmende. Ich mochte glauben: damit hangt noch Rainer Maria Rilkes lebenslangliches und durchgan- giges Bediirfnis zusammen, sich bewahren zu lernen am werktaglich Simpelsten, an der stetigen Treue im Geringsten, an der ehrfiirchtigen Behandlung auch der armen und unbegnadeten Stunden des Daseins noch. Da war es ihm nicht allein darum zu tun, sich wahrend der Liicken der Meisterschaft wenigstens als Lehrling zu iiben. Sondern um dies war es ihm zu tun: herausleben zu diirfen aus dem, was Geringstes nicht weniger wie GroBestes alleinheitlich umgreift und was aus dieser Geborgenheit uns deshalb nicht fallen lassen kann - mag immerhin unser menschliches BewuBtsein, in seinem Verpflichtetsein auf Unterschei- dung und Vergleichung, noch so dringlich, noch so zudringlich iiberzeugend, uns hoch und niedrig, Triumphierendes und Scheiterndes, Himmlisches und Hollisches, Leben und Sterben auseinanderreiBen.