Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

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Damit hing ein Doppeltes zusammen, was den russischen Menschen und dessen Land zweifellos kennzeichnet: eine Sinnesart umgab ihn dort, fur die, ohne Frage, das Machtstreben etwas ganz anderes bedeutet als fur den europaischen Menschen: nam- lich im Grunde eine auferlegte Last oder eine ungute Versuchung, ein Bruch mit jener Briiderlichkeit, in der allein man doch der Heimat inne wird und der notvollen Vereinzelung enthoben. Was im iibrigen Europa als schwachlicher, ja kranklicher Wesenszug erschiene, der den Lebenskampf von vornherein lahm- • • legt, ist dort fur das Volk eine natiirliche AuBerung ge~ sicherter Kraft, weil die Wertbetonung auf derGleich- heit der Menschen („vor Gott“) anstatt auf ihrer Unter- schiedenheit (vor den „irdischen Zielen“) liegt. Wobei ein an sich AuBerliches als sehr dazugehorig mit- spricht: das ist die Weite der russischen Landschaft in zwei Weltteilen, die dem Heimatbegriff geradezu jenes Begrenzende abstreift, was den Abstand eines Landes von einem andern zur Voraussetzung hat; wie man gewissermaBen nirgends aus der Heimat heraus- zugeraten meint, so auch nichtaus dem menschlichen Verband, als verbiirge er bereits nachste Blutsver- wandtschaft. Rilke sah zwischen WeiBem bis Schwar- zem Meer, langs den Wolga-Ufern vom Suden an bis an die nordischen Birkenwalder, in diesem Sinn stets den gleichen Menschen sich begegnen; und wenn es