Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

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die Glockenspeise, und Gott setzt sie immer wieder in WeiBglut und bereitet die gewaltige Stunde des Gusses: aber ich bin noch die alte Form, die Form der vorigen Glocke, die eigensinnige Form, die das Ihre getan hat und sich nicht mag ersetzen lassen und so bleibts ungegossen. - Kann man so viel ein- sehn und sich doch nicht helfen?“ Zwei Jahre zuvor (SchloB Duino, 10. Januar 1912) stellte er, bekummert von solchen Zustandlichkeiten, test, wie sehr sie ihn hinderten, sich zusammenzu- fassen: „Ich ermiide mich daran; wie jemand, der auf Kriicken geht, seinen Rock unter den Achseln immer zuerst durchscheuert, so wird meine einseitig abgenutzte Natur, fiircht ich, eines Tages Locher haben und dabei an andern Stellen wie neu sein.“ Wenn zum SchluB des Buches, der „verlorene Sohn“ heimkehrt, und mehr und mehr klar wird, daB er gar nicht der Heimgekehrte, gar nicht der sei, als den die Seinen ihn erkennen, wenn feiernde verzeihende Liebe deshalb kein geringeres MiBverstandnis darstellen wiirde als eine, die tadelnd oder zorniggeblieben ware: dann wiederholt sich darin die im Brief geschilderte Selbstzeichnung Rilkes. Man sieht allenfalls das an sei- nem Rock, was „wie neu“ ist, weiB nicht, womit er sich inzwischen muhsam trug, und daB es Kriicken waren. Nichts bleibt ihm iibrig, als so tun, als miBverstande