Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

136/152

(debug: view other mode)

The image contains the following text:

zu werden. Aber in jedem Fall, wie voll ihr Sinn sich ihr auch erfullen mag, bleibt sie nach beiden Rich- tungen dienend verpflichtet, bleibt zwischen beiden der einigende Bindestrich, Wiederherstellung einer Einheitlichkeit, die uns nur so wiederaufgehen kann. Und ebendeshalb ohne Spielraum - ja ohne auch nur einer Ritze, Spalte, souveranen Raum fur sich allein. Scheint es jemals anderes, das heiBt, iiberanstrengt die Kunst sich dazu, mehr als Ausdruck darzustellen, so racht sich das in demselben Betracht, wie es sich am Dichter rachte: sie gewinnt eine Realitat, fur die sie dem Menschendasein den unverbruchlichen FuB- breit Raum rauben muB - es in jenes todliche Ver- hangnis stiirzen muB, worin sein groBes Grenzwerk sich aufrichtete, indem es ihn opferte. Man kann aber an seinem Grabe nicht verweilt haben, ohne sich mit einem gewissen Schauder ein- zugestehen, wie leichthin und unwissentlich wir doch liber solche letztliche Tatbestande innerhalb dessen, was wir Kunst nennen, hinwegleben. Fast scheint es so, als ob unser gang und gabes Verhalten zur Kunst am allerwenigsten danach eingerichtet ware, sich dar- auf zu besinnen. Als ob unsere durchschnittliche Un- aufrichtigkeit, Phrasenhaftigkeit, Vogel-StrauB-Politik in unsern innern Verhaltnissen, hieram allgemeinsten, am selbstverstandlichsten sanktioniert sei. Als ob es sich in unserer Grundeinstellung zur Kunst ganz