Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

56/152

(debug: view other mode)

The image contains the following text:

man ihn nicht, d. h. einherzugehn wie in erborgter oder tauschender Kleidung. Wenigstens beschiitzt dies sein Alleinsein, zwingt ihm kein Gebaren auf, das ihn sich selbst entfremdet. Das wurde fur ihn ein von Jahr zu Jahr typischeres Erlebnis: MiBverstand- nisse geschehen lassen, urn sich hinter ihnen unkennt- lich zu erhalten. Er wuBte es schon friih; er schreibt schon 1905 (am Dreikonigstage aus Oberneuland): „Wo andere sich aufgenommen fiihlen und aufge- hoben, fiihle ich mich vorzeitig hinausgezerrt aus irgendeinem Versteck.“ Er empfand auch das so, was man Ruhm nennt; nie reagierte jemand wissender, uneitler darauf. Aber andererseits enthielt auch der Ruhm, der breitere Ruf der Bekanntheit, eine ahnlich erleichternde Neben- wirkung wie die erwahnten MiBverstandnisse iiber- haupt: auch er war eine bequem bereitgehaltene Form, • • ein bloB iiberzuwerfendes Kleid. Ofters sprach er davon, wie miihselig und kraftzehrend es ihm im Be- ginn gewesen sei, sich zu geben, zu auBern, ohne Trug und MiBlingen; denn, um das in naiver Unwill- kiirlichkeit geschehen zu lassen, dazu fiihlte er den jeweiligen Zustand zu sehr als den eines Augenblicks und scheute (vor fremdern) Augen etwa ahnlich davor, wie er sich gescheut hatte, eine Beobachtung, eine Erzahlung, eine Bemerkung, in allzu zufalliger, schlecht- sitzender Form von sich zu geben. Das war das ein-