Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.

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Aus Schweden (Furuborg, Jonsered, am 19. Oktober 1904 schon) hatte er geschrieben: „Soll mein Leben besser werden, so muB ich vor allem an diese beiden Dinge denken: Kraft und Ge- wissen.-arbeiten muB ich lernen. Das sage ich mir seit Jahren und pfusche doch so weiter. Davon das arge Gewissen; um so arger, wenn andere Ver- trauen zu mir haben.“ Seine Gewissensempfindlichkeit nahm nur um so mehr zu, da er so viel weniger fur ihre Beschwichti- gung tun konnte, als, vergleichsweise, ein Handeln- der tate, der in der Handlung selbst sein ihm auf- getragenes Ziel erreicht. Wenn er hatte beten diirfen, wie ein Kind zu seinem Vater auf Erden bittet, der es anhort und erhort, er hatte um nichts anderes ge- beten als darum, zu jeder Zeit auffindbar zu bleiben „in des Vaters Wohnung“. Es gab flir ihn nur dies oder Obdachlosigkeit. Es gab fur ihn nicht Werte verschiedener Art und darunter auch solche, die be- sonders dem Kiinstler gemaB sind; der Wert der Werte muBte auch den Kiinstler als seinen eigentlichen mitumfassen. Was ihn von andern unterschied, war dies unentwegte Zugehen auf das Eine, Letzte, auch des Kiinstlers in ihm, der unbeschreibliche Ernst der Frage, ob oder wann er Zutritt dazu habe. Was ihn unterschied, noch jenseits aller kiinstlerischen Wiir- digung - was ihm von der Stirn strahlte, auch dann