Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.
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phale Element des Schaffens und der Schaffenden
kaum etwas. Nun ereignen sich zwar zwischendurch
seelische Miterschiitterungen uber das Anerzogene
oder Konvention Gewordene hinaus; Miterlebnisseam
Kunstwerk, die namentlich den jungen Menschen aufs
starkste beeinflussen konnen. Aber gerade hieran -
von wo aus eine innere Richtigstellung zum Kiinstle-
rischen erfolgen konnte - erweist sich am bedenk-
lichsten das Grundverkehrte unseres Gesamiverhal-
tens zur Kunst. Denn dazu miiBte sie selbst die rich-
tige Stellung zum Leben beanspruchen durfen, kein
Abseits dazu bilden, sich vor der allem Lebendigen
innewohnenden Tendenz, vor dem organischen Zu-
sammenschluB mit alien innern Betatigungen, nicht
fiirchten; sich eingestehen, daB sie von den primi-
tivsten Regungen derPhantasie bis in die Abrundung
zum reifsten Kunstwerk von ein und demselben Men-
schentum ausgeht und dessen Grundeinheit dient, ja
diese ermoglicht. 1st es aber nicht so, dann wird es
auBerordentlich fraglich, ob die von ihr ausgehende
tiefere Wirkung auf Jugend und Entwicklung wiin-
schenswert sei; denn dann bedingen die von ihr er-
wirkten seelischen Erschiitterungen eine Vorweg-
nahme von Kraften, die hinterher da, wo das Leben
nach ihnen verlangt, abseitigausgegeben waren. Dann
ist sie eine Suggestion, die ablenkt und schwacht,
eine versucherische, ungute Angelegenheit, auf die