Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.
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fahr fur das AuBerkiinstlerische, Menschliche, darin
Geopferte, hatte nicht sein miissen, wenn Rilke im
hergebrachten Stil ein „Frommer“ gewesen ware - im
Sinn irgendwelcher „Glaubigkeit“ (gleichviel welcher
dogmatischen oder spekulativen Richtung); derm deren
seelenrettendes Heil hatte ihn in sich mit-umschlieBen
mussen: enthielte es doch eben diese Aushilfe als
Ausgangspunkt und Sinn. Nichts indessen lag seiner
Einstellung ferner: er stand aufrecht vor dem, was
Glaube bietet; - nicht in der Haltung des Erbittens,
sondern in der des Verpflichtetseins, nicht passiv, son-
dern im drangenden VorstoB des Kunstlers in ihm,
desselben Kiinstlertums, das ihn der Lebenspraxis
gegeniiber ratios und kraftlos erscheinen lassen konnte.
Nie aussetzend in der Sorge urns Werk, nie bedacht
darauf, was den an seine VerkiindigungPreisgegebenen
menschlich erwarte, ob Einsicht in das allzu GroBe
nicht ihn erschliige.
„DaB ich dereinst, am Ausgang der grimmigen Ein¬
sicht,
Jubel und Ruhm aufsinge zustimmenden Engeln,
DaB von den klargeschlagenen Ham mem des Her¬
zens
Keiner versage an weichen, zweifelnden oder
reiBenden Saiten. DaB mich mein stromendes Antlitz
glanzender mache: daB das unscheinbare Weinen
bliihe