Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé.
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gegen das „Zurucktreten vom Gegenstand zur Beob- achtung des Effektes“, wodurch vieleMal das Kiinstler- tumzum „eitelsten aller Gewerbe“geworden war; ab¬ solute Drangabe an das zu Leistende, das unentwegt „gebiickt stehen liber dem Werkzeug“, ohne Seiten- blick auf ein Virtuosentum. Wo das am folgerichtigsten ausgefiihrt ist, in den „Neuen Gedichten“, gibt es, mitten im Schonsten, schon hie und da eine Stelle, bei der tiach Schilderung, besonders von etwas mit den Sinnen ErfaBtem, gleichsam mit der Hand Model- liertem, sich, wie hinterdrein noch, eine Strophe er- gieBt - wie AusgieBung des Geistes, der seine innerste Beteiligung und Bezogenheit nicht langer an sich halten, sich an der realen Wiedergabe nicht ge- niigen kann. Sobald nun Rilkes Thema mehr und mehr dem Material des Innersten, nicht mehr sinnen- fallig Wiedergebbaren, entnommen wurde, kehrte es sich langsam um in Beschworungen, die kaum An- teilnehmer gestatteten; die erworbene - am Realen getibte - Macht des Ausdrucks feierte gerade hier ihre Triumphe, aber tatsachlich horbar geworden nur fur die, welche Erlebnisse von gleicher Machtigkeit und Tiefe, unerlost und wartend, mit sich herumtrugen. Den iibrigen mochte manchmal der Dichter vorkom- men wie ein Moses, der, vom Gebirg niedersteigend, iiber der ihn ganz hinnehmenden Offenbarung ver- saumt hatte, die zehn Tafeln in extenso vollzuschrei-